Die letzten Tage Karls V.
Karl V. saβ auf der Terrasse seiner Villa, die an das Kloster von San Yuste grenzte. Ein goldenes Licht hatte sich über den Park gelegt und lieβ die Blätter der Palmen und
Eucalyptusbäume aufleuchten. Würde er nun endlich nach dem vergeblichen Kampf um die Vorherrschaft im Abendland und gegen seine körperlichen Gebrechen in diesem entlegenen Ort die innere Ruhe erlangen? Sein Leitbild des „Unbeirrbaren Ritters“ schob sich vor sein geistiges Auge. Auch er hatte in seinen letzten Lebensjahren der Welt entsagt und fand im Gebet mit Mönchen seinen Seelenfrieden.
Eucalyptusbäume aufleuchten. Würde er nun endlich nach dem vergeblichen Kampf um die Vorherrschaft im Abendland und gegen seine körperlichen Gebrechen in diesem entlegenen Ort die innere Ruhe erlangen? Sein Leitbild des „Unbeirrbaren Ritters“ schob sich vor sein geistiges Auge. Auch er hatte in seinen letzten Lebensjahren der Welt entsagt und fand im Gebet mit Mönchen seinen Seelenfrieden.
Während Karl die Düfte der Kräuter des Gartens einsog, zog ein Leuchten über sein Gesicht. Endlich hatte er sich von seinem Albtraum befreit, der ihn seit Tagen den Schlaf raubte. In seinen geliebten Niederlanden würden schon bald keine Scheiterhaufen mehr lodern.
Willem van Male, sein Kammerdiener, näherte sich ihm. Selten hatte er seinen Herrn so heiter gesehen. Gerade war Erzherzogin Marie, des Kaisers Schwester, abgereist. Als van Male ihr in die Kutsche helfen wollte, wies ihn das alte Mannweib schroff ab und fluchte nur über die holprigen Wege, die ihr bevorstanden.
Karl wandte sich seinem Diener zu. „Soeben habe ich unsere Heimat vor Philipps religiösem Übereifer gerettet!“, sagte er triumphierend.
Willem van Male, sein Kammerdiener, näherte sich ihm. Selten hatte er seinen Herrn so heiter gesehen. Gerade war Erzherzogin Marie, des Kaisers Schwester, abgereist. Als van Male ihr in die Kutsche helfen wollte, wies ihn das alte Mannweib schroff ab und fluchte nur über die holprigen Wege, die ihr bevorstanden.
Karl wandte sich seinem Diener zu. „Soeben habe ich unsere Heimat vor Philipps religiösem Übereifer gerettet!“, sagte er triumphierend.
„Wird Madame Marie wieder in die Niederlande reisen und die Regentschaft übernehmen?“ Van Male kniff die Augen zu Schlitzen, um sich von dem Sonnenlicht zu schützen.
„Ja, Willem, sie hat es mir versprochen! Auch wird sie die Erlässe meines Sohnes rückgängig machen.“ Karls Wangen färbten sich rot vor Empörung. „In den Niederlanden schieβen die Ketzer wie Pilze aus dem Boden! Was reimt sich Philipp da zusammen? Wie kann er nur so kurzsichtig und überheblich sein! Seit meines Aufrufes zu einem Konzil weht ein neuer Wind durch unsere Kirche. Die Menschen lesen die Bibel und kommen mit Gott selbst in Berührung, was soll daran falsch sein?“
Van Male nickte zustimmend, obwohl er wusste, dass der Aufruhr gegen den finsteren Philipp im Volk gärte und man wohl bald das Joch der Spanier abschütteln würde.
Karls Herz machte einen freudigen Satz. „Die Rettung unserer Heimat muss gefeiert werden! Lasse Quejada für morgen Abend ein Festmahl vorbereiten. Mein Gefolge wird es zu schätzen wissen, der Langweile für einige Stunden zu entfliehen. Überbringe ebenfalls dem Abt von San Yuste eine Einladung!“
Van Malle starrte seinen Herrn erschrocken an. „Mein lieber Willem, ich habe mich in den letzten Wochen an die Diät der Ärzte gehalten. Ein Festessen wird meiner Gesundheit schon nicht abträglich sein!“
„Ja, Willem, sie hat es mir versprochen! Auch wird sie die Erlässe meines Sohnes rückgängig machen.“ Karls Wangen färbten sich rot vor Empörung. „In den Niederlanden schieβen die Ketzer wie Pilze aus dem Boden! Was reimt sich Philipp da zusammen? Wie kann er nur so kurzsichtig und überheblich sein! Seit meines Aufrufes zu einem Konzil weht ein neuer Wind durch unsere Kirche. Die Menschen lesen die Bibel und kommen mit Gott selbst in Berührung, was soll daran falsch sein?“
Van Male nickte zustimmend, obwohl er wusste, dass der Aufruhr gegen den finsteren Philipp im Volk gärte und man wohl bald das Joch der Spanier abschütteln würde.
Karls Herz machte einen freudigen Satz. „Die Rettung unserer Heimat muss gefeiert werden! Lasse Quejada für morgen Abend ein Festmahl vorbereiten. Mein Gefolge wird es zu schätzen wissen, der Langweile für einige Stunden zu entfliehen. Überbringe ebenfalls dem Abt von San Yuste eine Einladung!“
Van Malle starrte seinen Herrn erschrocken an. „Mein lieber Willem, ich habe mich in den letzten Wochen an die Diät der Ärzte gehalten. Ein Festessen wird meiner Gesundheit schon nicht abträglich sein!“
Das Festmahl des Kaisers
Warmes Kerzenlicht und Streicherklänge empfingen die Besucher. Karl thronte auf der Empore und erfreute sich am Glanz und Glitter seines Gefolges. Die aufgereihten Tische bogen sich unter den mit Juwelen besetzten, schwer beladenen Tabletts. Darauf türmten sich Berge gebratener Gänse, Wildschwein in dicken Saucen, Entenbraten, Orangen, Kirschen und Feigen. Nachem der Abt von San Yuste, ein Eremit, nur widerwillig auf der Empore neben dem Kaiser Platz genommen hatte, segnete er auf dessen Geheiβ die Speisen. Danach begann die Völlerei. Karl verschlang wie in alten Zeiten eine Keule nach der anderen. Blutroter Bratensaft lief ihm über das Kinn und er hielt herrisch seinen Kelch zum Nachfüllen hoch. Seinem Arzt standen die Haare zu Berge, als der gichtkranke Greis sich dann noch mit Marzipan und Kuchen vollstopfte.
Es dauerte nicht lange, da zeigten sich die ersten Folgen: Auf Karls Stirn traten Schweiβperlen und das Stechen in seinen Gliedern wuchs sich immer mehr zu einem scharfen Brennen aus. Das fröhliche Gelächter klang ihm wie Hohn in den Ohren. Er rief Willem van Male, um ihn in sein Gemach zu bringen.
Karls Augen waren glasig und seine Zunge war schwer, als van Male ihn zu Bett brachte. „Soll ich den Arzt rufen, Majestät?“ “Nein, keine Aderlässe und Klistiere!“, krächzte Karl. „Lese mir aus dem „Unbeirrbaren Ritter“ vor , bis mich der Schlaf überwältigt. Willem seufzte. Wieder eine durchwachte Nacht! Er legte sich auf das Bett, das neben dem Himmelbett des Kaisers stand und begann zu lesen. Nach einer Weile versank sein Herr jedoch in ein gurgelndes Schnarchen.
Warmes Kerzenlicht und Streicherklänge empfingen die Besucher. Karl thronte auf der Empore und erfreute sich am Glanz und Glitter seines Gefolges. Die aufgereihten Tische bogen sich unter den mit Juwelen besetzten, schwer beladenen Tabletts. Darauf türmten sich Berge gebratener Gänse, Wildschwein in dicken Saucen, Entenbraten, Orangen, Kirschen und Feigen. Nachem der Abt von San Yuste, ein Eremit, nur widerwillig auf der Empore neben dem Kaiser Platz genommen hatte, segnete er auf dessen Geheiβ die Speisen. Danach begann die Völlerei. Karl verschlang wie in alten Zeiten eine Keule nach der anderen. Blutroter Bratensaft lief ihm über das Kinn und er hielt herrisch seinen Kelch zum Nachfüllen hoch. Seinem Arzt standen die Haare zu Berge, als der gichtkranke Greis sich dann noch mit Marzipan und Kuchen vollstopfte.
Es dauerte nicht lange, da zeigten sich die ersten Folgen: Auf Karls Stirn traten Schweiβperlen und das Stechen in seinen Gliedern wuchs sich immer mehr zu einem scharfen Brennen aus. Das fröhliche Gelächter klang ihm wie Hohn in den Ohren. Er rief Willem van Male, um ihn in sein Gemach zu bringen.
Karls Augen waren glasig und seine Zunge war schwer, als van Male ihn zu Bett brachte. „Soll ich den Arzt rufen, Majestät?“ “Nein, keine Aderlässe und Klistiere!“, krächzte Karl. „Lese mir aus dem „Unbeirrbaren Ritter“ vor , bis mich der Schlaf überwältigt. Willem seufzte. Wieder eine durchwachte Nacht! Er legte sich auf das Bett, das neben dem Himmelbett des Kaisers stand und begann zu lesen. Nach einer Weile versank sein Herr jedoch in ein gurgelndes Schnarchen.
Ein neuer Tag brach an
Als Karl erwachte, sickerte an den Rändern der Vorhänge vor dem Fenster ein erster Schimmer der aufgehenden Sonne durch. Er hatte sich vor der Nacht gefürchtet, doch die Träume waren gnädig und hafteten nicht mehr im Gedächtnis. Als van Male Karls schmerzverzerrtes Gesicht erblickte, sank ihm das Herz in die Magengrube. Ein schwerer Tag stand ihm bevor! Er zog die Vorhänge ein wenig zur Seite. Zu viel Licht würde seinen Herrn zur Raserei bringen. Sogleich befahl Karl seinem Kammerdiener, ihm eine Kanne Bier zu bringen. Karls knotige Finger umfassten das vergoldete Trinkgefäss und gierig trank er einen Becher nach dem anderen aus, unterbrochen durch Gerülpse. Der neue Tag lastete schwer auf seinem Gemüt, aber das Bier war seine beste Arznei.
„Wollt Ihr der Messe in der Kirche beiwohnen oder in Eurem Gemach?“ fragte ihn van Male. „Lieber in meinem Gemach!“ stöhnte Karl.
Van Male bettete Karl auf seinen Lehnstuhl und öffnete die hölzerne Schiebelucke, die polternd aufging und den Blick auf den Hochaltar freigab. Tizians Gloria mit der himmlischen Dreifaltigkeit strahlte Karl entgegen und besänftigte sein Gemüt. Lichtumflutet erwartete er auf dem Altarbild mit seiner Familie Gottes Urteil.
Dann erklang der mächtige Chorgesang. Zwei Kapellen sangen die Messe. Posaunenbläser spielten das Graduale, Deo gratias und Ite missa est. Karls Augen füllten sich mit Tränen und er erkannte seine eigene Nichtigkeit. Er war 58 Jahre alt und seine Weltherrschaft war gescheitert. Nun musste er alles loslassen, bis der Tod, hoffentlich sanft, den Mantel um ihn legte.
Als Karl erwachte, sickerte an den Rändern der Vorhänge vor dem Fenster ein erster Schimmer der aufgehenden Sonne durch. Er hatte sich vor der Nacht gefürchtet, doch die Träume waren gnädig und hafteten nicht mehr im Gedächtnis. Als van Male Karls schmerzverzerrtes Gesicht erblickte, sank ihm das Herz in die Magengrube. Ein schwerer Tag stand ihm bevor! Er zog die Vorhänge ein wenig zur Seite. Zu viel Licht würde seinen Herrn zur Raserei bringen. Sogleich befahl Karl seinem Kammerdiener, ihm eine Kanne Bier zu bringen. Karls knotige Finger umfassten das vergoldete Trinkgefäss und gierig trank er einen Becher nach dem anderen aus, unterbrochen durch Gerülpse. Der neue Tag lastete schwer auf seinem Gemüt, aber das Bier war seine beste Arznei.
„Wollt Ihr der Messe in der Kirche beiwohnen oder in Eurem Gemach?“ fragte ihn van Male. „Lieber in meinem Gemach!“ stöhnte Karl.
Van Male bettete Karl auf seinen Lehnstuhl und öffnete die hölzerne Schiebelucke, die polternd aufging und den Blick auf den Hochaltar freigab. Tizians Gloria mit der himmlischen Dreifaltigkeit strahlte Karl entgegen und besänftigte sein Gemüt. Lichtumflutet erwartete er auf dem Altarbild mit seiner Familie Gottes Urteil.
Dann erklang der mächtige Chorgesang. Zwei Kapellen sangen die Messe. Posaunenbläser spielten das Graduale, Deo gratias und Ite missa est. Karls Augen füllten sich mit Tränen und er erkannte seine eigene Nichtigkeit. Er war 58 Jahre alt und seine Weltherrschaft war gescheitert. Nun musste er alles loslassen, bis der Tod, hoffentlich sanft, den Mantel um ihn legte.
Den Rest des Tages verbrachte Karl in seinem Bett. Eine tiefe Unruhe hatte von ihm Besitz ergriffen. Oh Gott, er hatte das Seelenheil seiner Angehörigen vernachlässigt! Wie würden sie ihn im Jenseits empfangen? Sogleich rief er van Male und diktierte ihm: „Zwanzig Messen für meine geliebte Frau Isabella, zehn für meine Tante Margarete, die mir die Niederlande erhalten hat und fünfzig für meinen Groβvater Maximilian.“ Bei Maximilian hielt van Male inne. Seine Augen huschten prüfend über das Gesicht seines Herrn. Seines Wissens hatte Karl diesen alten Haudegen nicht gemocht. Hat das Bier etwa seine Gedanken vernebelt?
Karl erhob irritiert eine Augenbraue. „Du hörst schon recht, Willem! Mein Groβvater hat den Grundstein zu meinem Reich gelegt. Ich war anfangs sehr undankbar. Jetzt verstehe ich ihn besser. Er hat sein Leben unermüdlich der Reichsidee geopfert. Ich will ihm im Jenseits würdig gegenübertreten.“
„Wann wünscht Ihr, dass die Messen gelesen werden?“ „Der Abt möge gleich damit beginnen, eine am Morgen und eine zur Vesper!“ Karl wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiβ von der Stirn. „Das ist noch nicht alles! Lasse Tizians Porträt von mir und meiner Gattin hier aufhängen.“ Er wies auf die Wand gegenüber seinem Bett. „Und auch Strigels Gemälde mit meinen Angehörigen will ich bei mir haben. Sie sollen mir in meinem Todeskampf beistehen.“
Karl erhob irritiert eine Augenbraue. „Du hörst schon recht, Willem! Mein Groβvater hat den Grundstein zu meinem Reich gelegt. Ich war anfangs sehr undankbar. Jetzt verstehe ich ihn besser. Er hat sein Leben unermüdlich der Reichsidee geopfert. Ich will ihm im Jenseits würdig gegenübertreten.“
„Wann wünscht Ihr, dass die Messen gelesen werden?“ „Der Abt möge gleich damit beginnen, eine am Morgen und eine zur Vesper!“ Karl wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiβ von der Stirn. „Das ist noch nicht alles! Lasse Tizians Porträt von mir und meiner Gattin hier aufhängen.“ Er wies auf die Wand gegenüber seinem Bett. „Und auch Strigels Gemälde mit meinen Angehörigen will ich bei mir haben. Sie sollen mir in meinem Todeskampf beistehen.“
Karl im Zwiegespräch mit seinem Groβvater
Unruhige Traumgebilde umschlungen Karl in der Nacht. Er trieb durch einen schwarzen Tunnel und wollte schreien, doch seine Stimme versagte. Plötzlich zerrten ihn zwei kräftige Hände aus dem Abgrund. Verwundert sah Karl auf die flämische Landschaft, die vor ihm lag. Die untergehende Sonne hatte sie in ein rotes Licht getaucht. Da zog ihn die rettende Hand auf eine Bank. Karls Augen weiteten sich: Es war sein Groβvater, Kaiser Maximilian. „So begegnen wir uns wieder Karl, zwei Herrscher mit Visionen!“, sagte Maximilian nicht ohne Ironie, während Karls Augen unruhig flackerten. „Beruhige dich, mein Enkel, ich möchte nur ein bisschen mit dir plaudern .“ Maximilian zwinkerte ihm leutselig zu. „ Hier in deinen geliebten Niederlanden hat das Schicksal unseres Hauses seinen Lauf genommen. Zwar hatte ich kühne Pläne, aber niemals hätte ich mir träumen lassen, dass wir das Abendland beherrschen würden. Alle Achtung Karl, du hast dazu sehr viel beigetragen!“
Ein Ausdruck geschmeichelter Eitelkeit hellte Karls Miene auf. „Es freut mich, dass Ihr meine Anstrengungen zu würdigen wisst. Aber Ihr müsst bedenken, dass unser Reich auf tönernen Füssen steht.“ „Wem sagst du das? Auf die deutschen Fürsten ist kein Verlass. Doch wollen sie auf einen Kaiser nicht verzichten und haben deinen Bruder Ferdinand gewählt.“ Karl vergrub das Gesicht in den Händen. Ein Lächeln stahl sich in Maximilians Mundwinkel. „Kopf hoch, Karl! Deinen Sohn Philipp hätten die Fürsten niemals gewählt, auch hätte er mehrere Silberflotten dafür geopfert. Ferdinand dagegen versteht es mit den Protestanten zu taktieren.“
Ein Gefühl der Vertrautheit durchströmte Karl. Seine Einsamkeit war wie weggeblasen. Maximilian verstand ihn. „Was hält ihr von Philipps Heirat mit Mary Tudor?“ Sein Blick fixierte seinen Groβvater.
„Ein Ereignis von groβer Tragweite! Der gallische Hahn ist nun eingekreist!“, feixte Maximilian.
Stille senkte sich über sie, während das Tageslicht verblasste.
Doch schon bald ergriff Maximilian wieder das Wort. „Dass du den Franzosen im Alcazar hast schmorenlassen, hat mich mit Genugtuung erfüllt. Mir ist es leider nie gelungen, den Valois die Flügel zu stutzen. Geschweige denn was sich in Rom ereignet hat! Da hast du ja dem Papst die Hölle heiβgemacht.“ Mit amüsiert glitzernden Augen sah er seinen Enkel an.
Eine leise Freude durchströmte Karl. Er fühlte sich ganz und gar verstanden. Unterdessen hatte sich das kraftvolle Purpur des Zwielichts in schwarze Nacht verwandelt. Sterne erschienen am Firmament, als Maximilian sich erhob und seinem Enkel noch zurief: „Du kannst dich dem Tor der Ewigkeit ohne Angst nähern, es wird dich von deinen Leiden erlösen und du wirst begreifen, weshalb du in manchem gescheitert bist.“
Unruhige Traumgebilde umschlungen Karl in der Nacht. Er trieb durch einen schwarzen Tunnel und wollte schreien, doch seine Stimme versagte. Plötzlich zerrten ihn zwei kräftige Hände aus dem Abgrund. Verwundert sah Karl auf die flämische Landschaft, die vor ihm lag. Die untergehende Sonne hatte sie in ein rotes Licht getaucht. Da zog ihn die rettende Hand auf eine Bank. Karls Augen weiteten sich: Es war sein Groβvater, Kaiser Maximilian. „So begegnen wir uns wieder Karl, zwei Herrscher mit Visionen!“, sagte Maximilian nicht ohne Ironie, während Karls Augen unruhig flackerten. „Beruhige dich, mein Enkel, ich möchte nur ein bisschen mit dir plaudern .“ Maximilian zwinkerte ihm leutselig zu. „ Hier in deinen geliebten Niederlanden hat das Schicksal unseres Hauses seinen Lauf genommen. Zwar hatte ich kühne Pläne, aber niemals hätte ich mir träumen lassen, dass wir das Abendland beherrschen würden. Alle Achtung Karl, du hast dazu sehr viel beigetragen!“
Ein Ausdruck geschmeichelter Eitelkeit hellte Karls Miene auf. „Es freut mich, dass Ihr meine Anstrengungen zu würdigen wisst. Aber Ihr müsst bedenken, dass unser Reich auf tönernen Füssen steht.“ „Wem sagst du das? Auf die deutschen Fürsten ist kein Verlass. Doch wollen sie auf einen Kaiser nicht verzichten und haben deinen Bruder Ferdinand gewählt.“ Karl vergrub das Gesicht in den Händen. Ein Lächeln stahl sich in Maximilians Mundwinkel. „Kopf hoch, Karl! Deinen Sohn Philipp hätten die Fürsten niemals gewählt, auch hätte er mehrere Silberflotten dafür geopfert. Ferdinand dagegen versteht es mit den Protestanten zu taktieren.“
Ein Gefühl der Vertrautheit durchströmte Karl. Seine Einsamkeit war wie weggeblasen. Maximilian verstand ihn. „Was hält ihr von Philipps Heirat mit Mary Tudor?“ Sein Blick fixierte seinen Groβvater.
„Ein Ereignis von groβer Tragweite! Der gallische Hahn ist nun eingekreist!“, feixte Maximilian.
Stille senkte sich über sie, während das Tageslicht verblasste.
Doch schon bald ergriff Maximilian wieder das Wort. „Dass du den Franzosen im Alcazar hast schmorenlassen, hat mich mit Genugtuung erfüllt. Mir ist es leider nie gelungen, den Valois die Flügel zu stutzen. Geschweige denn was sich in Rom ereignet hat! Da hast du ja dem Papst die Hölle heiβgemacht.“ Mit amüsiert glitzernden Augen sah er seinen Enkel an.
Eine leise Freude durchströmte Karl. Er fühlte sich ganz und gar verstanden. Unterdessen hatte sich das kraftvolle Purpur des Zwielichts in schwarze Nacht verwandelt. Sterne erschienen am Firmament, als Maximilian sich erhob und seinem Enkel noch zurief: „Du kannst dich dem Tor der Ewigkeit ohne Angst nähern, es wird dich von deinen Leiden erlösen und du wirst begreifen, weshalb du in manchem gescheitert bist.“
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Ende August 1558 verschlechterte sich Karls Gesundheit. Er lehnte es ab, seine Verwandten zu sehen und verstarb am 18. September in seiner Villa in San Yuste nach Fieberattacken mit Bewusstseinstrübungen an der Malaria. Sein Reich war geteilt. In den spanischen Gebieten regierte sein Sohn Philipp II., während sein Bruder Ferdinand I. als deutscher Kaiser die österreichischen Territorien übernommen hatte.
Ende August 1558 verschlechterte sich Karls Gesundheit. Er lehnte es ab, seine Verwandten zu sehen und verstarb am 18. September in seiner Villa in San Yuste nach Fieberattacken mit Bewusstseinstrübungen an der Malaria. Sein Reich war geteilt. In den spanischen Gebieten regierte sein Sohn Philipp II., während sein Bruder Ferdinand I. als deutscher Kaiser die österreichischen Territorien übernommen hatte.