Das Liebesleben Karls des Kühnen
Es war ein düsterer Februarnachmittag. Burgunds junge Herzogin, Margarete von York und ihre sechzehnjährige Stieftochter, Maria, langweilten sich in dem golden Käfig des Genter Schlosses. Hand in Hand eilten sie in die Bibliothek. Der Bibliothekar, einer der wenigen Landsleute Margaretes, den Herzog Karl am burgundischen Hof duldete, verbeugte sich tief vor den beiden Damen. „Welche illuminierte Handschrift wünscht Ihr, heute einzusehen?“ Margarete, die Maria um eine Kopflänge überragte, beugte sich zu ihr herunter und sah sie fragend an. „Wie wäre es mit dem Stundenbuch des Herzogs von Berry?“ Ihre Stiefmutter nickte zustimmend. Während sie auf die Handschrift warteten, betrachteten sie die Deckenmalerei, die hoch über ihren Köpfen schwebte. Da tummelten sich halbnackte, kraftstrotzende Krieger zwischen weißen Wölkchen. Margarete und Maria rümpften die Nase beim Anblick dieser Gestalten. „Ja Maria, dein Vater ist besessen von antiken Helden und ihren Kriegen. Ich fürchte, er strebt danach, ein Alexander des Abendlands zu werden.“, seufzte ihre Stiefmutter. Angst kroch in Maria hoch. „Wenn er nur nicht so endet wie Caesar oder Alexander!“ Margarete legte ihre Hand auf Marias Schulter und ihre Stimme klang seltsam belegt: „Mein Kind, letztendlich liegt alles in Gottes Hand und wir sollten uns nicht sorgen um etwas, das wir nicht beeinflussen können.“
Der Bibliothekar verneigte sich und wies auf das Pult vor dem Erkerfenster. Mit glänzenden Augen blätterten sie in der Handschrift. Jeder Monat enthielt eine Landschaft mit lebensechten Gebäuden und Menschen darin. Maria strahlte, beim Anblick der halbkreisförmigen astrologischen Darstellungen oberhalb der Bilder. Das Blau des Himmels faszinierte sie. „Margarete, denkst du, dass die Genter Tuchhändler uns einen Kleiderstoff in dieser Farbe beschaffen können?“ Die Herzogin betrachtete eingehend das Firmament. „Es ist die Farbe des Lapislazuli! Das ist sehr kostbar. Aber lass es uns versuchen.“ „Was hältst du davon, wenn wir beide Vater bei seiner Rückkehr in himmlischen Roben überraschen?“ Ein Lächeln stahl sich in die Mundwinkel der Herzogin. „Dein Vater wird es sicherlich zu schätzen wissen, wenn wir uns in solchen Gewändern bei Empfängen und Umzügen präsentieren."
Margarete wies auf die gepolsterten Bänke vor dem Erkerfenster. „Lass uns hier noch ein wenig ungestört plaudern über das, was uns auf der Seele brennt.“ Ein dankbares Lächeln huschte über Marias Gesicht. „Für mich bist du ein Geschenk des Himmels! Du bist der einzige Mensch dem ich mich anvertrauen kann.“ Margarete tätschelte die Hand ihrer Stieftochter. „Dasselbe gilt für mich. Ohne dich wäre ich nur eine einsame Fremde an diesem Hof, ein Tauschobjekt für englische Bogenschützen.“ „Vater liebt dich nicht?“ Entsetzen stand in Marias Gesicht geschrieben. „Nein. Er behandelt mich zwar höflich, aber teilt mit mir nicht mehr das Bett.“ Margarete errötete. „Bei seinem letzten Aufenthalt im Schloss habe ich ihn darauf angesprochen und er hat mir geantwortet, dass Caesar und Alexander ebenfalls keinen männlichen Erben gehabt hätten.“ Sie zog ein spitzenbesetztes Tüchlein hervor, mit dem sie sich verlegen die Augen tupfte. „Aber erzähle mir nun, was du auf dem Herzen hast.“
Maria strich sich fahrig über die Stirn und holte tief Luft. „Nach all den gescheiterten Verlobungen, mache ich mir Sorgen, wen Vater diesmal meine Hand versprechen wird. Schließlich bin ich sechzehn und heiratsfähig.“ Margarete wiegte abwägend den Kopf. „Als dein Vater uns vor einem halben Jahr besucht hat, hat mir dein Onkel Anton angedeutet, dass er ein Bündnis mit dem deutschen Kaiser anstrebt. Friedrichs Sohn, Maximilian, scheint ein stattlicher junger Mann in deinem Alter zu sein. Ich denke, dieser Bräutigam könnte dir zusagen.“ Margaretes warme graue Augen sahen ihre Stieftochter aufmunternd an.
Maria strich sich fahrig über die Stirn und holte tief Luft. „Nach all den gescheiterten Verlobungen, mache ich mir Sorgen, wen Vater diesmal meine Hand versprechen wird. Schließlich bin ich sechzehn und heiratsfähig.“ Margarete wiegte abwägend den Kopf. „Als dein Vater uns vor einem halben Jahr besucht hat, hat mir dein Onkel Anton angedeutet, dass er ein Bündnis mit dem deutschen Kaiser anstrebt. Friedrichs Sohn, Maximilian, scheint ein stattlicher junger Mann in deinem Alter zu sein. Ich denke, dieser Bräutigam könnte dir zusagen.“ Margaretes warme graue Augen sahen ihre Stieftochter aufmunternd an.
Auf einmal unterbrachen Fanfaren und dröhnende Hufe die Stille. Margarete und Maria zuckten zusammen. Schwarzgekleidete Ritter auf schimmernden Rappen sprengten in den Schlosshof. „DeinVater ist hier!“ Die Stimme ihrer Stiefmutter überschlug sich: „Wir haben nichts für den Empfang vorbereitet. Lass uns, ihn in der Halle begrüßen!“
Kaum waren sie in dem mit Säulen geschmückten Empfangsraum angelangt, betraten der Herzog und sein Halbbruder, Anton, den Raum. Die Absätze ihrer Stiefel schlugen hart auf den Marmorboden. Mit flatternden Herzen fielen Margarete und Maria in einen tiefen Knicks. „Ich freue mich, Euch wiederzusehen, meine Lieben,“ sagte Karl in einem Ton, als weilten seine Gedanken schon anderswo. Er küsste beiden die Hand und half ihnen auf. „Lasst Euch in Eurem Tagesablauf nicht stören. Ich muss mich heute mit meinen Vertrauten beraten und morgen ziehen wir wieder ins Feld.“ Karls Blick würgte jedes weitere Wort ab. Beim Verlassen der Halle warf Anton ihnen ein bedauerndes Lächeln zu.
Enttäuscht begaben sich Margarete und Maria in ihre Gemächer.
Karl hatte indessen sein privates Schreibzimmer erreicht. Er ließ sich am Kopfende des schweren Eichentisches nieder, auf dem in goldenen Kandelabern Wachskerzen brannten. An seiner rechten Seite nahm sein Halbbruder Platz und an seiner linken Burgunds Kanzler, Hugonet. Gespannt warteten sie auf das Vorhaben ihres Herzogs. Karl sah sie durchdringend an. „Es wird Zeit, dass ich meine Länder unter einem Königstitel vereine. Ich bin dann mein eigener Herr und Flandern fällt nicht mehr unter die französiche Krone.“ Karl grinste über das ganze Gesicht. „Damit lege ich Ludwig, dieser französichen Zecke, ein für allemal sein intrigantes Handwerk.“ Hugonet und Anton nickten beifällig. „Der Einzige, der mir diese Würde verleihen kann, ist Kaiser Friedrich.“ Karls dunkle Augen glitzerten arglistig. „Wenn ich diesen wankelmütigen Bettelkaiser ködere mit der Heirat unserer beiden Kinder, müsste er doch meinen Wunsch erfüllen. Die Mitgift wird ihn locken, um sein morsches Reich zu befrieden. Auch könnte das junge Paar für einen männlichen Nachfolger sorgen.“ Der Kanzler und sein Stiefbruder sahen ihn verblüfft an. „Worauf wartet ihr noch, verfasst die Einladung an den Kaiser für eine Zusammenkunft in Mainz oder Trier.“
Anton und Hugonet verließen den Raum. Sie hatten es nicht gewagt, Karl ihre Einwände vorzubringen, da der Herzog keine Widerrede duldete. Sie waren es satt, einen Tobsuchtsanfall ihres Herrn über sich ergehen zu lassen.
Karls Züge entspannten sich und er heftete seinen Blick auf den vom flackernden Kerzenschein erleuchteten Wandteppich. Caesar, der Eroberer Galliens, schimmerte im warmen Licht. Dank sei des Königstitels würde er seine Herrschaft von Flandern an der Nordsee über Lothringen, Savoyen und die Provence bis zum Mittelmeer ausdehnen. Er genoss die Macht, die ihn wie eine unsichtbare Aura umgab. Er würde ein Caesar des Abendlandes werden! Ein pures Glücksgefühl jagte durch seine Adern. Er lächelte in sich hinein und sehnte sich nach einer Nacht mit einem Pagen.
Kaum waren sie in dem mit Säulen geschmückten Empfangsraum angelangt, betraten der Herzog und sein Halbbruder, Anton, den Raum. Die Absätze ihrer Stiefel schlugen hart auf den Marmorboden. Mit flatternden Herzen fielen Margarete und Maria in einen tiefen Knicks. „Ich freue mich, Euch wiederzusehen, meine Lieben,“ sagte Karl in einem Ton, als weilten seine Gedanken schon anderswo. Er küsste beiden die Hand und half ihnen auf. „Lasst Euch in Eurem Tagesablauf nicht stören. Ich muss mich heute mit meinen Vertrauten beraten und morgen ziehen wir wieder ins Feld.“ Karls Blick würgte jedes weitere Wort ab. Beim Verlassen der Halle warf Anton ihnen ein bedauerndes Lächeln zu.
Enttäuscht begaben sich Margarete und Maria in ihre Gemächer.
Karl hatte indessen sein privates Schreibzimmer erreicht. Er ließ sich am Kopfende des schweren Eichentisches nieder, auf dem in goldenen Kandelabern Wachskerzen brannten. An seiner rechten Seite nahm sein Halbbruder Platz und an seiner linken Burgunds Kanzler, Hugonet. Gespannt warteten sie auf das Vorhaben ihres Herzogs. Karl sah sie durchdringend an. „Es wird Zeit, dass ich meine Länder unter einem Königstitel vereine. Ich bin dann mein eigener Herr und Flandern fällt nicht mehr unter die französiche Krone.“ Karl grinste über das ganze Gesicht. „Damit lege ich Ludwig, dieser französichen Zecke, ein für allemal sein intrigantes Handwerk.“ Hugonet und Anton nickten beifällig. „Der Einzige, der mir diese Würde verleihen kann, ist Kaiser Friedrich.“ Karls dunkle Augen glitzerten arglistig. „Wenn ich diesen wankelmütigen Bettelkaiser ködere mit der Heirat unserer beiden Kinder, müsste er doch meinen Wunsch erfüllen. Die Mitgift wird ihn locken, um sein morsches Reich zu befrieden. Auch könnte das junge Paar für einen männlichen Nachfolger sorgen.“ Der Kanzler und sein Stiefbruder sahen ihn verblüfft an. „Worauf wartet ihr noch, verfasst die Einladung an den Kaiser für eine Zusammenkunft in Mainz oder Trier.“
Anton und Hugonet verließen den Raum. Sie hatten es nicht gewagt, Karl ihre Einwände vorzubringen, da der Herzog keine Widerrede duldete. Sie waren es satt, einen Tobsuchtsanfall ihres Herrn über sich ergehen zu lassen.
Karls Züge entspannten sich und er heftete seinen Blick auf den vom flackernden Kerzenschein erleuchteten Wandteppich. Caesar, der Eroberer Galliens, schimmerte im warmen Licht. Dank sei des Königstitels würde er seine Herrschaft von Flandern an der Nordsee über Lothringen, Savoyen und die Provence bis zum Mittelmeer ausdehnen. Er genoss die Macht, die ihn wie eine unsichtbare Aura umgab. Er würde ein Caesar des Abendlandes werden! Ein pures Glücksgefühl jagte durch seine Adern. Er lächelte in sich hinein und sehnte sich nach einer Nacht mit einem Pagen.