Die Plünderung Roms in 1527 war unabwendbar
Mercurino di Gattinara, Kaiser Karls V. greiser Groβkanzler, reckte sich mit gequälter Miene in seinem Lehnstuhl am Fenster der Burg von Monaco. Drauβen im Burggarten blühte der Mai. Hätte die Gicht nicht wieder ihre Krallen ausgestreckt, hätte er bereits mit dem Papst in Rom Friedensgespräche geführt. Nun saβ er mit angeschwollenen Gelenken in seinem Stuhl, geplagt von Schmerzen und Sorgen um Karls Reich. Gegen seinen Rat hatte Karl den französischen König aus der spanischen Haft entlassen und ihm einen Frieden auferlegt, wobei er ihn zwang, auf Italien zu verzichten und ihm Burgund rückzuerstatten.
„Mit Verlaub, Majestät,“ hatte er ihn noch gewarnt,“ sobald der König in Freiheit ist, wird er diesen Vertrag widerrufen!“
„Mit Verlaub, Majestät,“ hatte er ihn noch gewarnt,“ sobald der König in Freiheit ist, wird er diesen Vertrag widerrufen!“
„Das wird er nicht wagen, ich habe doch seine Erben in Geiselhaft!“, rief Karl triumphierend.
„Das wird König Franz nicht hindern, einen Vorwand zu finden, den Frieden zu brechen. Er könnte sich des Parlaments bedienen, die Friedensbedingungen abzuweisen. Die Venezianer, Mailänder, Florentiner und der Papst gieren bereits danach, Euch gemeinsam mit den Franzosen aus Italien zu vertreiben. Ihr seid ihnen zu mächtig!“
Mit einer lässigen Handbewegung wischte Karl seine Bedenken weg.
„Das wird König Franz nicht hindern, einen Vorwand zu finden, den Frieden zu brechen. Er könnte sich des Parlaments bedienen, die Friedensbedingungen abzuweisen. Die Venezianer, Mailänder, Florentiner und der Papst gieren bereits danach, Euch gemeinsam mit den Franzosen aus Italien zu vertreiben. Ihr seid ihnen zu mächtig!“
Mit einer lässigen Handbewegung wischte Karl seine Bedenken weg.
Doch Gattinaras schlimmste Befürchtungen waren eingetreten. Der Franzose war über die Alpen gezogen und hatte mit seinen Verbündeten Norditalien besetzt. Obwohl es Karls Heer gelungen war, die Lombardei zurückzuerobern und man einen Waffenstillstand schloss, lagerte dort seit Monaten sein riesiges Söldnerheer. Karl konnte den Sold nicht aufbringen und so brandschatzten und plünderten die Soldaten die Umgebung. Die lutheranischen Landsknechte wüteten am ärgsten. Ihrem Kommandanten, Georg von Frundsberg, kostete es groβe Mühe die hungrigen Wölfe in Schach zu halten. Nicht viel besser erging es dem Connétabel von Bourbon, der die spanischen und italienischen Truppen befehligte.
Ende April hatte Karl Gattinara zu sich gerufen. Die Muskeln seiner Wangen zuckten vor Wut. „Dieser verfluchte Papst zettelt wieder Verschwörungen gegen mich an! Ich weiβ nicht, wie lange der Waffenstillstand noch halten wird. Mir fehlen die Mittel für einen weiteren Krieg! Es gibt nicht genug Silber aus der Neuen Welt!“ Der flammende Zorn in Karls Gesicht wich Ratlosigkeit.
Gattinaras dunkle Augen sahen ihn aufmunternd an. „Majestät, ich könnte Clemens VII. aufsuchen, um ihn zur Vernunft zu bringen. Er ist ein ängstlicher Mensch, der leicht umzustimmen ist! Wenn ich ihm mit groβem Unheil drohe, wie etwa einem Beutezug Eurer Söldner nach Rom, könnte er sich bereit erklären, den fälligen Sold zu bezahlen, um sich und seine Stadt vor der Verwüstung zu retten. Ebenfalls könnte ich ihn Eurer Gunst versichern, wenn er die Seiten wechselt. Was hält Ihr davon?“
Gattinaras dunkle Augen sahen ihn aufmunternd an. „Majestät, ich könnte Clemens VII. aufsuchen, um ihn zur Vernunft zu bringen. Er ist ein ängstlicher Mensch, der leicht umzustimmen ist! Wenn ich ihm mit groβem Unheil drohe, wie etwa einem Beutezug Eurer Söldner nach Rom, könnte er sich bereit erklären, den fälligen Sold zu bezahlen, um sich und seine Stadt vor der Verwüstung zu retten. Ebenfalls könnte ich ihn Eurer Gunst versichern, wenn er die Seiten wechselt. Was hält Ihr davon?“
Karl grübelte, den Kopf auf eine Hand gestützt. „Wenn Euch das gelänge, wäre mein Problem gelöst. Aber ich bezweifle es.“
„Ihr meint, er könnte zusagen und danach wieder seine Meinung ändern, wenn ihm jemand einen gröβeren Vorteil ins Ohr bläst?“
Karl nickte stumm.
„In diesem Fall trifft Clemens VII. allein die Schuld, falls die Söldner Rom in Schutt und Asche legen. Gott könnte sich an seinem niederträchtigen Stellvertreter rächen wollen. Euch aber ist nichts vorzuwerfen. Ihr habt alles unternommen, um das zu verhindern.“
Einen langen Augenblick starrte Karl ihn an. „Versucht es! Dann habe ich vor aller Welt ein reines Gewissen!“
Unverzüglich schiffte sich Gattinara in Barcelona ein. Da das Stechen in seinen Gliedern sich immer mehr auswuchs und er sich nicht mehr selbständig bewegen konnte, riet ihm sein Arzt, die Reise in Monaco zu unterbrechen.
Nun saβ er bereits seit Tagen untätig in seinem Stuhl. Leise stöhnend schloss er die Augen. Ein heftiges Klopfen an der Tür lieβ in hochfahren. „Tretet ein!“, rief er mit heiserer Stimme.
Ein Bote mit Lehm beschmutzten Stiefeln verneigte sich vor ihm. „Eure Exzellenz, mich schickt der Prinz von Oranien, der Kommandeur der kaiserlichen Truppen!“
Das Gesicht des Mannes glitzerte vor Schweiβ.Gattinara beschlich eine Vorahnung von etwas Schrecklichem. Mit einem gezwungenen Lächeln wies er auf den ihm gegenüberstehenden Stuhl. „Wenn Ihr wollt, schenkt Euch Wein aus der Karaffe ein! Meine Hände gehorsamen mir derzeit nicht wegen Gicht.“
Der Bote nahm einen Schluck und sah Gattinara fragend an: „Darf ich ganz offen sein?“
„Gewiss, berichtet mir alles wahrheitsgetreu.“
„Im April ist die Kriegskasse endgültig leer gewesen. Die deutschen Landsknechte haben im Morast kampiert und Baumrinde gegessen.“
„Weshalb haben sie sich nicht das Nötige aus der Umgebung besorgt?“
„Die Städte und Dörfen hatten sie bereits ausgeplündert. Also haben sie gegen ihren Anführer rebelliert. Als der Herr von Frundsberg versucht hat, sie zu beschwichtigen, ist er mitten in seiner Rede zusammengebrochen. Er hat einen Schlaganfall erlitten. Eilends haben die Hauptleute den Connétable von Bourbon geholt. Ihm ist es einigermaβen gelungen den Zorn der Kriegsknechte in Bahnen zu lenken. Er hat dem 24.000 Mann starkem Heer versprochen, in Eilmärschen nach Rom zu rücken, um vom Papst 60.000 Dukaten zu fordern. Am 5. Mai waren sie bereits in Reichweite von Rom, aber der Papst zögerte...“
„Und dann haben sie die Stadt gestürmt“, fügte Gattinara tonlos hinzu. „Fahrt fort, erzählt mir alle Einzelheiten!“
„Rom war in dichten Nebel eingehüllt, sodass die Verteidiger ihre Kanonen willkürlich abgefeuert haben. Bourbon wurde im Unterleib getroffen und ist auf den Zinnen der Stadtmauer verblutet.“
„Oh Gott, nun ist das Heer führerlos gewesen!“ Missmut verschattete Gattinaras Gesicht.
„Ihr meint, er könnte zusagen und danach wieder seine Meinung ändern, wenn ihm jemand einen gröβeren Vorteil ins Ohr bläst?“
Karl nickte stumm.
„In diesem Fall trifft Clemens VII. allein die Schuld, falls die Söldner Rom in Schutt und Asche legen. Gott könnte sich an seinem niederträchtigen Stellvertreter rächen wollen. Euch aber ist nichts vorzuwerfen. Ihr habt alles unternommen, um das zu verhindern.“
Einen langen Augenblick starrte Karl ihn an. „Versucht es! Dann habe ich vor aller Welt ein reines Gewissen!“
Unverzüglich schiffte sich Gattinara in Barcelona ein. Da das Stechen in seinen Gliedern sich immer mehr auswuchs und er sich nicht mehr selbständig bewegen konnte, riet ihm sein Arzt, die Reise in Monaco zu unterbrechen.
Nun saβ er bereits seit Tagen untätig in seinem Stuhl. Leise stöhnend schloss er die Augen. Ein heftiges Klopfen an der Tür lieβ in hochfahren. „Tretet ein!“, rief er mit heiserer Stimme.
Ein Bote mit Lehm beschmutzten Stiefeln verneigte sich vor ihm. „Eure Exzellenz, mich schickt der Prinz von Oranien, der Kommandeur der kaiserlichen Truppen!“
Das Gesicht des Mannes glitzerte vor Schweiβ.Gattinara beschlich eine Vorahnung von etwas Schrecklichem. Mit einem gezwungenen Lächeln wies er auf den ihm gegenüberstehenden Stuhl. „Wenn Ihr wollt, schenkt Euch Wein aus der Karaffe ein! Meine Hände gehorsamen mir derzeit nicht wegen Gicht.“
Der Bote nahm einen Schluck und sah Gattinara fragend an: „Darf ich ganz offen sein?“
„Gewiss, berichtet mir alles wahrheitsgetreu.“
„Im April ist die Kriegskasse endgültig leer gewesen. Die deutschen Landsknechte haben im Morast kampiert und Baumrinde gegessen.“
„Weshalb haben sie sich nicht das Nötige aus der Umgebung besorgt?“
„Die Städte und Dörfen hatten sie bereits ausgeplündert. Also haben sie gegen ihren Anführer rebelliert. Als der Herr von Frundsberg versucht hat, sie zu beschwichtigen, ist er mitten in seiner Rede zusammengebrochen. Er hat einen Schlaganfall erlitten. Eilends haben die Hauptleute den Connétable von Bourbon geholt. Ihm ist es einigermaβen gelungen den Zorn der Kriegsknechte in Bahnen zu lenken. Er hat dem 24.000 Mann starkem Heer versprochen, in Eilmärschen nach Rom zu rücken, um vom Papst 60.000 Dukaten zu fordern. Am 5. Mai waren sie bereits in Reichweite von Rom, aber der Papst zögerte...“
„Und dann haben sie die Stadt gestürmt“, fügte Gattinara tonlos hinzu. „Fahrt fort, erzählt mir alle Einzelheiten!“
„Rom war in dichten Nebel eingehüllt, sodass die Verteidiger ihre Kanonen willkürlich abgefeuert haben. Bourbon wurde im Unterleib getroffen und ist auf den Zinnen der Stadtmauer verblutet.“
„Oh Gott, nun ist das Heer führerlos gewesen!“ Missmut verschattete Gattinaras Gesicht.
„Ja, so ist es gewesen. Wütende Horden haben die Stadt gestürmt. Die verbliebenen Hauptleute haben den Papst verfolgt, der sich in die Engelsburg, das Grabmal des Hadrians, geflüchtet hat, beschützt von seiner Schweizer Garde. Obwohl sie viele Schweizer getötet haben, ist es ihnen nicht gelungen, die Engelsburg zu stürmen. Sie hungern den Papst mit seinen Getreuen aus, bis sie sich ergeben. Sollte man Clemens VII. dann nach Spanien verschiffen wie einst König Franz?“
„Das muss der Kaiser entscheiden! Aber ich denke, der Papst ist ihm nützlicher als Gefangener in Italien! Er kann dann sogleich die Friedensbedingungen ausführen.“
„Das muss der Kaiser entscheiden! Aber ich denke, der Papst ist ihm nützlicher als Gefangener in Italien! Er kann dann sogleich die Friedensbedingungen ausführen.“
„Nun nach der Einnahme der Stadt sind zehn Tage des unauslöschlichen Grauens gefolgt: Überall Waffengetöse, Geschrei, Geruch von Blut und Flammen. Einiges habe ich selbst gesehen. Das andere weiβ ich aus zuverlässigen Quellen. Die protestantischen Landsknechte haben die Kirchen gestürmt, die Priester abgeschlachtet und auf den Altären gewürfelt. Mit ihren Dirnen haben sie Wein aus Messkelchen getrunken und in die Taufbecken uriniert.Von Schändungen der Nonnen und Plünderungen der Kunstgegenstände ganz zu schweigen! Verkleidet als Kardinäle sind sie auf Eseln in Prozessionen durch die Stadt geritten, begleitet von Huren in Messgewändern. Unter groβem Getöse haben sie Luther zum Papst ausgerufen.“
Gattinaras Miene verfinsterte sich. „Wie hat Frundsberg nur solche Bestien anwerben können! Was haben die Spanier und Italiener sich zuschulden kommen lassen?“
„Mit Verlaub, Herr Gattinara, jeder war auf Beute aus. Auch Spanier und Italiener sind in die Paläste der Kardinäle und des Stadtadels eingedrungen, haben die Eigentümer an den Haaren herausgezerrt und Lösegeld gefordert. Haben sie nicht gezahlt, sind sie erstochen oder erdrosselt worden. Die Straβen sind bedeckt mit Toten und Trümmern. Auch der Tiber hat sich blutrot verfärbt. Als die Paläste und Gotteshäuser leer waren, haben sie die Gräber der Heiligen aufgebrochen und geschändet.“
Gattinara bekreuzigte sich stumm.
„Mit Verlaub, Herr Gattinara, jeder war auf Beute aus. Auch Spanier und Italiener sind in die Paläste der Kardinäle und des Stadtadels eingedrungen, haben die Eigentümer an den Haaren herausgezerrt und Lösegeld gefordert. Haben sie nicht gezahlt, sind sie erstochen oder erdrosselt worden. Die Straβen sind bedeckt mit Toten und Trümmern. Auch der Tiber hat sich blutrot verfärbt. Als die Paläste und Gotteshäuser leer waren, haben sie die Gräber der Heiligen aufgebrochen und geschändet.“
Gattinara bekreuzigte sich stumm.
„Das römische Kontor der Fugger ist allerdings verschont geblieben. Truppen der Hauptleute bewachen es. Die Bankiers machen sogar gute Geschäfte. Edelsteine, Wandteppiche, Gemälde und Kultgegenstände wandern dorthin für den Transport über die Alpen.“
Gattinaras Augen funkelten vor Zorn. “Ich werde dafür sorgen, dass der Kaiser seinen Bankier zur Rechenschaft zieht. Wie stehen die Dinge nun in Rom?“
„Der Prinz von Oranien versammelt kaisertreue Truppen, um dem Plündern ein Ende zu bereiten. Er hat mich zu Euch gesandt, damit ihr den Kaiser über die Vorgänge unterrichtet und er uns Anordnungen erteilt. Tausende unbegrabener Leichen verpesten die Luft in der Stadt, Seuchen brechen aus, aber die Gewaltorgie ist noch nicht zu Ende.“
Der Bote nahm einen Schluck Wein und stellte das Glas beiseite.
Gattinara holte tief Luft. „Ich danke Euch für den Bericht. Während ich mit Hilfe meines Sekretärs ein Schreiben an den Kaiser verfasse, lasst Euch in der Küche bewirten. Noch heute werdet ihr nach Spanien reiten, um dort die kaiserlichen Anordnungen zu erhalten.“
Der Bote stand auf, verneigte sich und verlieβ den Raum.
Schweiβ perlte Gattinara von der Stirn. Er hatte Glück gehabt, dass er nicht während des Massakers in Rom eingetroffen ist! Wahrscheinlich hätten die Soldaten auch von ihm Lösegeld verlangt und da er nichts besaβ, läge er nun erdrosselt im Tiber.
Gattinaras Augen funkelten vor Zorn. “Ich werde dafür sorgen, dass der Kaiser seinen Bankier zur Rechenschaft zieht. Wie stehen die Dinge nun in Rom?“
„Der Prinz von Oranien versammelt kaisertreue Truppen, um dem Plündern ein Ende zu bereiten. Er hat mich zu Euch gesandt, damit ihr den Kaiser über die Vorgänge unterrichtet und er uns Anordnungen erteilt. Tausende unbegrabener Leichen verpesten die Luft in der Stadt, Seuchen brechen aus, aber die Gewaltorgie ist noch nicht zu Ende.“
Der Bote nahm einen Schluck Wein und stellte das Glas beiseite.
Gattinara holte tief Luft. „Ich danke Euch für den Bericht. Während ich mit Hilfe meines Sekretärs ein Schreiben an den Kaiser verfasse, lasst Euch in der Küche bewirten. Noch heute werdet ihr nach Spanien reiten, um dort die kaiserlichen Anordnungen zu erhalten.“
Der Bote stand auf, verneigte sich und verlieβ den Raum.
Schweiβ perlte Gattinara von der Stirn. Er hatte Glück gehabt, dass er nicht während des Massakers in Rom eingetroffen ist! Wahrscheinlich hätten die Soldaten auch von ihm Lösegeld verlangt und da er nichts besaβ, läge er nun erdrosselt im Tiber.
Nach siebenmonatiger Belagerung erkaufte sich der Papst seine Freiheit gegen Zahlung eines immensen Lösegeldes. Mehr als ein halbes Jahr irrte er durch Italien. Karls reines Gewissen nahmen ihm nur wenige seiner Zeitgenossen ab, auch nicht dass Gott sich an seinem skrupellosen Stellvertreter rächen wollte. Im Oktober 1528 erlaubte Karl V. Clemens VII., in den Vatikan zurückzukehren, nachdem er ihm Treue geschworen und versprochen hatte, ihn zu krönen.